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Das Banner zeigt eine Mentorin im Gespräch mit ihrem Mentee

Jillian und Hala sind das Tandem des Monats Februar 2024

Ziel des Patenschaftsprojektes „1zu1 für Flüchtlingskinder Wedding“ des WIR GESTALTEN e. V. ist es, Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung durch gemeinsame Freizeitgestaltung beim Ankommen in Deutschland, bei der Entwicklung individueller Interessen und beim Erlernen der deutschen Sprache zu unterstützen und ihnen ein Gefühl von Willkommen sein zu geben. Die Patinnen und Paten haben zum Teil selbst eine Migrationsgeschichte, kommen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, manchmal auch etwas älter. Sie engagieren sich ehrenamtlich für mindestens ein Jahr einmal wöchentlich im Projekt, indem sie die Kinder und Jugendlichen zuhause in ihren Familien treffen, bei Alltagsproblemen helfen oder gemeinsam neue Orte der Freizeitgestaltung in Berlin erkunden. Nicht nur die Kinder und Jugendlichen lernen sich im deutschen Alltag besser zu orientieren, auch die Patinnen und Paten lernen die familiären und kulturellen Gewohnheiten ihrer Mentees kennen.
Im folgenden Interview berichten Jillian und Hala über ihre Erfahrungen in der Patenschaft. Jillian ist Lehrerin und US-Amerikanerin, Hala ist 21 Jahre alt, kommt aus Syrien, hat vor einem Jahr ihr Fachabitur gemacht hat und arbeitet derzeit als Praktikantin in einer Kita.

 

Jillian, wie bist du auf die Idee gekommen, Patin bei WIR GESTALTEN e. V. zu werden? 

Jillian: Ich hatte schon mal in anderen Städten über ähnliche Hilfsorganisationen Kontakt zu geflüchteten Menschen gehabt und habe immer sehr positive Erfahrungen gemacht. Ich bin also mit der Idee in die Patenschaft gegangen, dass ich geflüchteten Menschen helfen will und einen Kulturaustausch suche. Aber meine Patenschaft ist nun eher eine Freundschaft. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich ehrenamtlich engagiere, es ist eher wie eine Freundin zu treffen. Und ich finde unsere Freundschaft wichtig, weil Hala und ich aus anderen Kulturen kommen, weil wir eine andere Sprache sprechen, wir eine andere Religion haben...

Hala: ...weil man von dem Anderen lernt.

Jillian: Genau. Dass man Zeit mit jemandem aus einer anderen Kultur verbringt, dass man sich verstehen und respektieren lernt, sich gegenseitig unterstützen kann. Man sieht auch in Berlin, es ist eine multikulturelle Stadt, aber es gibt ganz viel Trennung. Ich habe eine Weile im Wedding gewohnt, unweit von Hala, aber meinst du, wir sind einmal in das gleiche Café gegangen? Deshalb muss man einen Schritt machen, um zusammen zu kommen. Hala und ihre Familie sind die einzigen Muslime, die ich persönlich in Berlin kenne und ich finde es super bereichernd, etwas anderes zu lernen, nachdem man sich schon sehr gut versteht. Solche Begegnungen finde ich im Allgemeinen sehr wichtig für unsere Gesellschaft, dass die Leute nicht separiert bleiben, aber auch für mich persönlich cool. Es ist eine Freundschaft geworden, keine Aufgabe.

 

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Patenschaft einzugehen, Hala?

Hala: Mein Bruder hatte schon eine Patenschaft. Mein Vater hatte von einem Freund gehört, dass seine Tochter eine Patin hat, die sehr geholfen hat. Dann habe ich gesagt, ich möchte auch, dass mir jemand hilft. Anfangs hatte ich auch keine deutschen Freundinnen und ich konnte noch nicht so gut Deutsch sprechen, weil alle in meiner Schule türkischen oder arabischen Migrationshintergrund hatten. Ich wollte jemanden, mit dem ich Deutsch sprechen, Hausaufgaben machen und persönlich reden kann.

 

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Hala: Jillian hat mich und meine Familie zusammen mit Mirjam, der Patenschaftskoordinatorin von WIR GESTALTEN e. V., besucht. Mirjam hatte Fragekarten mit und außer mir und Jillian wollten auch meine jüngeren Brüder mitspielen. Es waren einige sehr persönliche Fragen dabei, wie „Glaubst du an Gott?“, „Was bedeutet Liebe für dich?“, „Willst du mal heiraten?“. Ich war ziemlich nervös.

Jillian: Ich hatte auch richtig Angst, dass meine Antworten vielleicht nicht gut ankommen.

Hala: Wir mussten für meine Brüder hin- und herübersetzen und es wurde immer lustiger und unbefangen.

 

Wie verbringt ihr eure Patenschaften ansonsten?

Jillian: Wir treffen uns etwa einmal pro Woche. Meistens gehe ich erstmal zu Hala.

Hala: Oder wir gehen schon raus, gehen ins Café oder Mittagessen ins türkische oder arabische Restaurant.

Jillian: Also meistens essen. Oder auch wenn ich in der Familie bin, werde ich immer gefüttert.

Hala: Oder wir gucken Filme. 

Jillian: Ja, zum Beispiel „die Schwimmerinnen“, ein Film über zwei Schwestern, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Es war sehr bewegend, den Film zusammen mit einer syrischen Familie zu sehen, die sagt „Ja, genauso war das!“. Ich habe die ganze Zeit geheult, weil ich wusste, für die anderen im Raum war es Realität.

Hala: Ja, mein Vater hat das Gleiche erlebt. Wir zum Glück nicht, obwohl es auch nicht einfach war.

Jillian: Nach dem Film haben wir mehr über die Fluchterlebnisse der Familie gesprochen. Davor habe ich lange Zeit extra nicht nach der Flucht gefragt. Bis ich gemerkt habe, dass ihr offen darüber sprecht. Ansonsten habe ich zuerst ein bisschen bei den Schulaufgaben unterstützt, aber die Schulzeit war ja schon fast vorbei. Wir haben schon einige Feste zusammen gefeiert: Ich war bei Halas großer Geburtstagsfeier und ich habe nicht gewusst, wie schön man sich bei solch einer Feier anzieht. Ich kam als einzige mit einer Jeanshose. Halas Familie ist immer sehr herzlich, sie laden mich zum Grillen, Familienfesten oder zum Zuckerfest ein. Außerdem waren wir auch mal zusammen in Halas Fitness-Studio.

 

Hat sich irgendetwas verändert durch die Patenschaft?

Jillian: Ich hatte vorher schon Kontakt zu Geflüchteten und kannte ähnliche Geschichten. Deshalb war es kein Schock. Ich fühle mich super wohl bei der Familie. Also ich bin ganz ich selbst, wenn ich da bin und verstelle mich nicht, und ich verbringe einfach sehr gerne Zeit mit ihnen.

 

Und bei dir Hala?

Hala: Ich bin sehr gerne mit älteren Menschen im Kontakt, weil ich denke, sie haben mehr erlebt, sie können mir etwas Neues sagen, mir ihr Wissen vermitteln.

 

Gab es auch mal Schwierigkeiten, die zu überwinden waren?

Jillian: Nein, die gab es nicht. Die Beziehung hat meine Meinung eher bestätigt, dass es wichtig ist, sich mit anderen Menschen anderer Kulturen zu tun zu haben.

 

Gab es etwas Besonderes in der Patenschaft?

Jillian: Ich muss an den Schminkkurs denken, den wir zusammen gemacht haben. Hala ist eine begeisterte Kosmetikerin, da dachte ich, ich lade sie mal zum Schminkkurs ein (beide lachen). Das Ding ist, Hala kennt sich schon super aus und hat eher immer kritisch gefragt: „Muss man nicht erst dies machen, bevor man das macht?“ Hala hat einen sehr auffälligen Look bekommen. Das war schon lustig!

 

Wie reagiert euer Umfeld auf eure Patenschaft?

Jillian: Meine Freunde finden es cool und spannend und würden Hala und ihre Familie gerne kennenlernen. Dann frage ich sie, warum sie nicht mitmachen. Hala hat mich bei ihren Freundinnen auch auf ihrer Geburtstagsfeier vorgestellt.

Hala: Meine Freundinnen finden es schön und würden auch gerne eine Patin haben.

 

Fällt euch noch etwas ein, das ihr sagen wollt?

Hala: Also ich bin zufrieden mit Jillian!  

Jillian: Ich mag Hala auch sehr! Wenn wir uns treffen, dann lachen wir immer, wir reden immer ganz viel und erzählen uns viele Geschichten, auch private Dinge. Ich glaube, in dieser Patenschaftsrolle bist du auch Bezugsperson außerhalb des privaten Kreises. Vielleicht kannst du mir Dinge erzählen, die du nicht deinen Eltern erzählen magst. Es ist mal nett, jemanden außerhalb des intimen Kreises zu kennen. Man kann private Sachen erzählen, die dann privat bleiben. Das finde ich auch schön!

 

Was habt ihr jetzt noch vor?

Jillian: Vielleicht das Fahrrad von Hala reparieren. Wir wollten demnächst mal in die Rehberge.

Hala: Jetzt, wo das Wetter so schön ist, wollen wir auch mal zum See und ein Boot leihen.

 

Das Interview wurde im Sommer 2023 geführt (Anm. d. Red.).

Steckbrief

Projektname
1zu1 für Flüchtlingskinder Wedding

Ort
Berlin

Gründung
Vereinsgründung 2006

Träger
WIR GESTALTEN e. V.

Kontaktdaten
Kerstin Falk
Müllerstraße 14A
13353 Berlin

E-Mail
info(at)wirgestaltenev.de

Internetseite
www.wirgestaltenev.de

Schwerpunkt
Freizeitpatenschaften

Patenschaft seit
Die Patenschaft von Hala und Jillian besteht seit dem 21.03.2022.